Fakten-Check: Das kleine 1×1 der Armeefinanzen

21. Februar 2024
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Eine Mitteilung der SOG

Der Streit um die Armeefinanzen führt zu einer starken Polarisierung in allen politischen Lagern.
Hinzu kommt, dass einige Beteiligte die Kosten scheuen und deshalb mit dem Wirrwarr gut leben
können. Nachfolgend soll aufgezeigt werden, wie die Armee zu ihrem Geld kommt und es ausgeben
kann.


Die Lage der Armee ist höchst besorgniserregend. Es fehlt derzeit sowohl an Liquidität, um alle finanziellen Verpflichtungen planmässig zu erfüllen, als auch an tragfähigen finanziellen Perspektiven. Dies ist inzwischen bekannt, auch wenn es nicht alle in gleichermassen zu beunruhigen scheint. Unerklärlich ist hingegen, dass bürgerliche Kreise des Parlaments mit Vorstössen mehr Geld für die Armee fordern, für ihre Beschlüsse aber Formate wählen, die selbst im Falle einer Annahme für den Bundesrat und seine Budgetierung nicht bindend wären. Die Forderung nach einem Prozent des BIP bis 2030 und die Motion 22.3374 (Salzmann) wären bei Annahme zwar ein «sehr starkes Signal» an den Bundesrat gewesen, das Geld wäre aber deswegen kaum schneller geflossen. Wenn es dem Parlament ernst wäre, dann würde es die Instrumente nutzen, die das Finanzhaushaltsgesetz für die Verteilung der Staatsfinanzen vorsieht. Es ist nämlich an dieses Gesetz gebunden, wie im Übrigen der Bundesrat auch.
Damit die Armee investieren kann, muss das Parlament entsprechende Verpflichtungskredite bewilligen. Der Begriff ist insofern missverständlich, denn trotz der Bezeichnung «Kredit» wird kein Geld gesprochen, sondern eine Verwaltungseinheit ermächtigt, «für ein bestimmtes Vorhaben oder eine
Gruppe gleichartiger Vorhaben bis zum bewilligten Höchstbetrag finanzielle Verpflichtungen einzugehen» (Art 21. Abs. 3 FHG). Verpflichtungskredite sind in der Regel dann einzuholen, wenn die Ausführung eines Vorhabens über das laufende Voranschlagsjahr hinaus zu Zahlungen führen, was bei der Beschaffung von Rüstungsgüter meistens der Fall ist. Ausdrücklich wird betont, dass der Verpflichtungskredit keine Zahlungen ermöglicht. «Für Zahlungen sind Voranschlagskredite (Zahlungskredite) nötig, die jährlich im Armeebudget beantragt und vom Parlament beschlossen werden müssen.»

Im Klartext heisst das: Um etwas – zum Beispiel bei der Beschaffung von Rüstungsgütern – bezahlen zu können,
müssen Voranschlagskredite beantragt werden, über die das Parlament jeweils jährlich in der Wintersession für das kommende Jahr entscheidet. Damit wird offensichtlich, dass eine Motion, die den Bundesrat zu etwas verpflichtet, keine unmittelbare Geldfreigabe auslösen kann.

Betriebskosten als Kostentreiber

Selbst wenn alle SVP-Nationalräte und fast die ganze Mitte im Dezember für die Erhöhung der Armee-
ausgaben auf ein Prozent des BIP per 1. Januar 2030 gestimmt hätten, hätte die Armee heute ihr
Finanzproblem. Rüstungsprogramme werden fast ausnahmslos über mehrere Jahre abgewickelt. Um mit
den Lieferanten Raten und Zahlungspläne vereinbaren zu können, braucht die Armee berechenbare
und glaubwürdige finanzielle Perspektiven. Seit 2016 bewilligt das Parlament der Armee zu Beginn jeder Legislaturperiode einen sogenannten Zahlungsrahmen für vier Jahre. Dieser legt fest, wie viele finanzielle Mittel die Armee in diesem Zeitraum insgesamt erhalten soll. Der aktuelle Zahlungsrahmen
2021-2024 belief sich ursprünglich auf 21.1 Mia. Fr., wurde aber im Lichte des Krieges in der Ukraine
um 600 Mio. Fr. erhöht. Hätte die Armee für 2023/2024 kein(e) Rüstungsprogramm(e) aufgelegt, wie
2-2 das ursprünglich nach der Beschaffung der F-35/Patriot vorgesehen war, wäre sie völlig unglaubwürdig geworden.

Also wurde unter Erwartungsdruck Beschaffungen vorgezogen oder neu aufgelegt. Ein Zahlungsrahmen ist eine verbindliche Planungsvorgabe für den Bundesrat, aber auch er gibt der Armee
keine Mittel frei. Der Weg über den jährlichen Voranschlagskredit ist zwingend. Ausnahmen wären zwar
möglich, bleiben aber unvorhersehbaren Fällen wie Covid-19 vorbehalten. Mit dem Geld, das der Armee mit den jährlichen Voranschlagskrediten gesprochen wird, muss sie ihre Ausgaben decken, das
heisst, bestellte Rüstungsgüter abbezahlen, ihren Betrieb sicherstellen und Bauprojekte (Immobilien)
finanzieren. Wenn nun, wie zurzeit, die Betriebskosten unvorhergesehen höher ausfallen, müssen not-
gedrungen, mit den vorhandenen Mitteln zuerst die dringendsten Rechnungen bezahlt und andere Geschäfte auf die Folgejahre verschoben werden.


Wenn die Schuldenbremse Anpassungen gegenüber der Planung erfordert, unterliegt auch ein bewilligter Zahlungsrahmen Sparprogrammen. Im Vergleich zur bisherigen sogenannten Integrierten Ausgaben- und Finanzplanung stehen der Armee weniger Mittel zur Verfügung als geplant: 2024 minus 286 Mio.; 2025 minus 522 Mio. Fr. 2026 minus 796 Mio. Fr. Dies sind die Beschlüsse, die das Parlament im Dezember 2023 gefällt hat, als lautstark über die finanzielle Zukunft gestritten wurde. Für die Armee
steht dieses Jahr viel auf dem Spiel. Bis Ende der ersten Woche der Frühlingssession sollte der Bundesrat dem Parlament die Anträge für die finanzwirksamen Voranschlagskredite 2025 überweisen, die auch die Armee einschliessen. Im Rahmen der Armeebotschaft 2024, die erstmals als sogenannte Fähigkeitsbotschaft ausgestaltet wird, wird auch der Zahlungsrahmen 2025-2028 vorgelegt. Bei der Behandlung dieser Botschaften in den Sommer- und Herbstsessionen 2024 kann das Parlament zeigen,
dass es ihm mit der Stärkung der Armee ernst ist.


Fazit: Wird mit den grösseren Investitionen (Ersatz M109, ESSI, Werterhalt Leo-2, usw.) bis nach 2028
zugewartet, kommt es faktisch zu einem temporären Stillstand des Heers. Beschaffungs- und Lieferfristen betragen optimistisch geschätzt, sieben bis zehn Jahre. Es ist deshalb entscheidend, dass so rasch möglichst ein Verpflichtungskredit (nicht Geld) ab 2025 bewilligt wird. Nur so kann armasuisse mit den Lieferanten einen Beschaffungsplan ausarbeiten und Verpflichtungen eingehen, notabene für Lieferungen, die anfangs der 2030 Jahre anfallen werden.


Wenn nun Kritiker argumentieren, es könne doch keinen Verpflichtungskredit gesprochen werden,
wenn ohnehin zu wenig Geld zur Verfügung stehe, empfehle ich, die Kolumne noch einmal zu lesen.

«Geld versprechen, Geld erhalten und Geld ausgeben sind ganz unterschiedliche Angelegenheiten».

Dominik Knill, Präsident SOG